Das alljährige Kräftemessen der Ostdeutschen Marathonszene findet wie gewohnt am 1. August Wochenende eines jeden Jahres im Kurort Seiffen statt. Wahlweise 40, 70 oder 100km können gefahren werden, wie jedes Jahr fahre ich die 70km und Eric 100km - warum Eric 100km fährt? Weil ihm die schwarze Zahl auf der Startnummer so gut gefällt... 70 hat rote und 40 grüne Zahlen. Der Jahreszeitpunkt liegt optimal, sollte doch bei einem groß der Teilnehmer die Formkurve dort recht gut sein... so gab auch ich mir redlich Mühe im Nussknackerland mit Höchstform anzutreten. Den Spagat aus Training und Erholung zu treffen - um am Tag X in Form zu sein - ist für mich als Amateur Sportler gar nicht so einfach, man lernt bei jedem Rennen, jedes Jahr dazu.
Bereits am Samstag fanden Eric und ich uns in Seiffen ein, um unsere Startunterlagen zu holen, nette Gespräche mit Gleichgesinnten zu führen, den Start der Ausdauerjunkies auf der !300KM! Distanz zu feiern und beim legendären Bergzeitfahren am "Alp de Wettin" das Laktatfeuerwerk der Teilnehmer zu bestaunen. Das Wetter meinte es dieses Jahr sehr gut, bei feinstem Sonnenschein übers gesamte Wochenende fanden sich unzählig viele Sportbegeisterte Zuschauer ein! Welch eine Freude, habe ich doch noch die Bilder von 2021 im Kopf, als Regen und Kälte das EBM Wochenende überschattete.
Bereits am Mittwoch Abend fanden Susi, Rudi und ich uns in Seiffen ein, um eine Art Streckenbriefing durchzuführen, gehört es mittlerweile bei uns zum Ritual vorab nochmal Probe zu fahren, um wirklich nichts dem Zufall zu überlassen. An der Schlüsselstelle des Rennens, die Steilabfahrt zum Seiffner Grund, kam große Freude auf - so durften wir dieses Jahr wieder von ganz oben in den Trail stechen! Es besteht im Rennen die Möglichkeit, dort hinab zu surfen oder über einen "Chicken-Way" den längeren Zeitintensiveren Bogen zu holen. Bereits im Test war klar, wir fahren Trail! Ich bog als erster ein und prompt testete ich den Waldboden im Seiffner Grund, nichts wildes, aber mein rechtes Knie landete etwas unglücklich auf einem Stein. Eric meisterte die Stelle mit bravour und so brachten wir unsere Testfahrt zu Ende.
Sonntag früh 5:20 Uhr der Wecker klingelt, die Aufregung steigt. Zeitig wie jedes Jahr kamen wir in Seiffen an, gehört auch das zu unseren Ritualen - Zeitiges erscheinen am Renntag und reichlich rumalbern vor Beginn. Unser erster Weg ging zur Toilette - ist das doch vor Rennbeginn ein elementarer Punkt und bei entsprechendem positiven Ausgang in der Regel ein Garant für gute Leistung! Bereits dort wurde mir klar, heute läuft es ;-). Im Anschluss schnell nach den positiv verrückten vom EBM 300 geschaut, um danach uns selbst und unsere Räder scharf zu machen. Die Aufregung in mir stieg immer weiter, zum einen hatte ich selbst Erwartungen an mich und wollte ordentlich abliefern. Außerdem ist mir bewusst, dass die Heizer der Marathonszene alle Ergebnisslisten ausführlich studieren werden und zum anderen ging es um wertvolle Punkte für die Marathon Man Europe Serie, wo ich auch dieses Jahr wiederholt gern vorn mitspielen möchte.
Ein für unsere Verhältnisse ausführliches warm fahren erfolgte diesmal und so fuhren wir nochmal zur besagten Steilabfahrt, um Kontrolle der Beschaffenheit zu machen, analysierte Eric mit mir nochmal genaustens damit im Renntempo alles flutscht. Zurück im Startbereich waren die einzelnen Startblöcke schon sehr gut gefüllt, Eric musste sich im Raceblock einfinden und ich durfte mich ganz vorn im Eliteblock einordnen - was mir sehr entgegen kommt, so genügt es kurz vor dem Start hinein zu Rollen.
Der Start erfolgte etwas verzögert, da der Langstreckenspezi Roy Bruns, Titelverteidiger des EBM 300, zum Sieg-Zieleinlauf ansetzte... Applaus aus dem kompletten Starterfeld sorgte mit Sicherheit für ordentlich Gänsehaut bei Roy! Dann ging es für uns auf die Strecke, zunächst musste eine Einführungsrunde durch Seiffen gedreht werden, dieses Jahr in neuer Form - sehr gelungen würde ich sagen. Ohne Startschuss ging es hinter einem Führungsfahrzeug zunächst neutralisiert den Alp de Wettin hinunter um unten auf die Hauptstraße Richtung Ortskern abzubiegen. Kurz vor dem Abzweig zur Bergkirche Seiffen wurde dann frei gegeben und die Hatz begann. Mein Plan - möglichst lange weit vorn zu bleiben, um eventuell bei einer schnellen Gruppe mitzugehen, gelang auch ganz gut, sodass ich unter den ersten 25 die erste Auffahrt des Alp de Wettin mit ordentlich Druck auf dem Pedal absolvierte. Das Feld streckte sich hier schon ordentlich in die Länge und die entscheidenden Grüppchen bildeten sich. Zur Spitze ging eine leichte Lücke von etwa 100m auf und ich verhielt mich erstmal defensiv in meiner Verfolgergruppe - als das Tempo etwas einschlief und die Lücke nach vorn größer wurde, spannte ich selbst vor und versuchte diese zu schließen. Strava Freund und schnellster Lehrer Sachsens Martin vom RTTW erkannte vorliegende Problematik schnell und blies ebenfalls ordentlich mit ins Horn, auch Teammate Magic Mike versuchte sich mit der Nase im Wind, um eventuell Anschluss herzustellen. 3 Fahrer konnten wir einsammeln, der Zug nach vorn schien allerdings abgefahren. Die EBM Strecke ist mir bestens bekannt, sodass ich genau weiß, wo und wann ich ansetzen muss, um zum richtigen Zeitpunkt an der Spitze der Gruppe zu sein. Mit reichlich Tempo heizten wir Richtung Streckenhighlight und Zuschauermagnet "Steilabfahrt" im Seiffner Grund, kurz zuvor setzte ich eine kleine Attacke um, gewiss als erster hinein stechen zu können - so konnte ich mit einer kleinen Lücke als erster in den Downhill einbiegen.
Die Linie in der Abfahrt war klar eingebremst und bei den vorherrschende staubtrockenen Bedingungen genüsslich zu fahren. Der Rand war gesäumt von jubelnden Zuschauer - da kommt schon echtes Rennenfeeling auf! Nicht auf letzter Rille, aber zügig ließ ich es laufen, wollte ich keinen Sturz oder defekt riskieren. Im Tal angekommen, kurz über die Hauptstraße und auf der anderen Seite in den langen Gegenanstieg. Ich drehte mich kurz um und sah niemanden mehr hinter mir, mir war sofort klar, jetzt oder nie. Mit reichlich Dampf auf dem Kessel nagelte ich den Anstieg hoch, war mir doch bewusst, wenn ich jetzt aus dem Sichtfeld meiner Verfolger verschwinde, haben diese kein Ziel mehr zum Jagen. Mein Plan ging auf, am Kulminationspunkt war ich allein auf weiter Flur - ab hier fuhr ich allein, mein Rennen gegen die Zeit.
Die bestens bekannten auf und ab's über Waldwege, Trails, Pfade, Wiesen es machte einen riesen Spaß! Die 2. Auffahrt am Alp de Wettin stand an, Susi versorgte mich mit einer Flasche Iso im vorbei fahren, auch hier unzählige jubelnde Zuschauer! Ein wahnsinnig tolles Gefühl diesen Anstieg in so einem Umfeld zu bewältigen. Runden Durchfahrt im Zielbereich und schon ging es auf in die zweite und letzte Runde für mich. Im Alleingang spulte ich diese ab, erst im letzten Rundenviertel nahm ich ein bekanntes Trikot in Sichtweite vor mir wahr. Ein Fahrer meiner Distanz, gleichmäßig zügig konnte ich den Abstand verkürzen. Leider fiel ihm, im steilen uphill kurz nach der Kapelle, die Kette vom Blatt, sodass ich dort weniger sportlich überholen musste. Helfen konnte ich dabei nichts, also ließ ich das Gas stehen. Straff ging es nun Richtung 3. Auffahrt am Alp de Wettin, beim einbiegen merkte ich plötzlich Anzeichen von krampfenden Oberschenkeln, etwas ganz seltenes bei mir - fordert nun das brutale Sägezahnprofil der Strecke ihren Tribut. In einem kleinen Gang mit reichlich Trittfrequenz versuchte ich gegen zu wirken und nochmal passabel dort hoch zu kurbeln, will man sich gerade hier ja keine Blöße geben.
Auf den letzten Metern Richtung Ziel grübelte ich noch auf welcher Position ich wohl liegen werde, mit dem durchfahren des Zielbogens verkündete Albrecht Dietze mein Ergebnis dann - Platz 2. Gesamt / 1. AK! Ich war überglücklich und stolz bei diesem Event einen Podestplatz errungen zu haben!
Bei anschließender Siegerehrung gab es dann wieder feinste erzgebirgische Volkskunst für alle platzierten! So war auch Susi glücklich als ich mit riesen Nussknacker, Schwibbogen und Räuchermann ankam... Anschließend wurde mir zugesichert, noch ein Jahr maximal von ihr unterstützt zu werden, um die Nussknacker Familie hoffentlich weiter wachsen zu lassen;-).
Für Rudi lief es auch wie am Schnürchen, gleichmäßig und souverän kurbelte er nach anfänglichem knallgas Start, Runde für Runde in den Seiffner Boden. Auf einem Großteil der Distanz konnte er sehr gut mit Daniel K. zusammen arbeiten und so ordentlich Tempo machen! In der letzten Auffahrt am Alp de Wettin plagten auch Eric Krämpfe und zwangen ihn mit dickem Gang stehend hoch zu kurbeln... Ja die Strecke hat es in sich und bringt selbst gestandene Marathonis an ihre Grenzen. Im Ziel stand dann für Rudi ein sehr zufriedenstellender 18. Platz Gesamt sowie 7. Platz Altersklasse in dem stark besetzten Herrenfeld zu Buche.